Wenn der Autor Christian Rauch über das Wandern schreibt, dann immer auch über interessante Personen, spannende Entdeckungen und viel Kultur. Sein neuestes Wanderbuch aus der Reihe “Rother Kulturwandern” heißt „Münchner Berge und ihre Geschichte(n)“. Christian erzählt hier eine seiner Lieblingsgeschichten:
Wer schon alles über die „Kopfkraxn“ kletterte – eine teuflische Tour im Kaiser
Der erste auf dem Sonneck, das war wohl der Teufel. Als er vor langer, langer Zeit eines Nachts über den Gipfelgrat kletterte, in seiner Kraxe mit Schätzen schwer beladen, hat er sich kurz vor dem Sonneck ein Nickerchen gegönnt. Doch er schlummerte zulange und als er aufwachte, schien ihm die Sonne schon ins Gesicht. Erschrocken sprang er in das tiefe Gamskar hinab. Die riesige Kraxe ließ er zurück und sie versteinerte sich, der Legende nach, zu dem Felsen, den heute jeder als die „Kopfkraxn“ kennt.
Über diese Kopfkraxn mussten dann einheimische Hirten hinweg, wenn sie auf der Suche nach einem vermissten Tier den vergleichsweise gutmütigen Gratrücken absuchten. Das Sonneck war also wohl schon vor Hunderten Jahren erstbestiegen – vor allen anderen Kaisergipfeln, die freilich alle schwieriger sind.
Am 6. Juni 1851 dann kraxelte der kaiserlich-königliche Oberleutnant und Trigonometer Anton Prohaska über die Kopfkraxn. Er wollte seinen Trägern ein gutes Beispiel geben, denn die trauten sich nicht über den noch schneebedeckten Felsabsatz. In diesem Augenblick ging die Schneewächte ab und polterte samt dem Leutnant hinab in das Gamskar. Es war der erste beurkundete Bergunfall im Kaiser.
Fast genau 50 Jahre später stand ein großer Kaiserheld auf dem Sonneck – Georg Leuchs. Der Medizinstudent aus Nürnberg war 1896 in den Wilden Kaiser gekommen und beging innerhalb von 15 Jahren 192 Fels- und Gipfeltouren, darunter 45 Erstbegehungen. Am 29. Juni 1901 brach er mit Gefährten um halb drei Uhr nachts im tiefen Kaisertal auf. Zunächst kletterten sie auf die Kleine Halt. Ab da an nur mehr mit einem Kameraden kletterte Leuchs über den Nordgrat (Erstbegehung) auf die Gamshalt. Weiter ging Leuchs alleine: über die Ellmauer Halt, dann ungesichert im vierten Schwierigkeitsgrad über das Kleinkaiserl und schließlich – ebenfalls eine Erstbegehung – über den Ostgrat auf den Sonneck-Gipfel. Samt Abstieg brauchte er für diese Gewalttour knapp 15 Stunden!
Einer der letzten in der langen Geschichte der Sonneck-Besteiger war ich im Juni 2015. Ich stieg über die Rehbachklamm, die herrliche Hinterschießling Alm und die Kaiser-Hochalm auf die heute gut drahtseilgesicherte Kopfkraxn, kam sicher hinüber 😉 und erreichte bei herrlichem Blick auf Tauern und Hintersteiner See den Sonneck-Gipfel.
In den folgenden Tagen schrieb ich die Tour nieder – für mein neues Kulturbergbuch „Münchner Berge und ihre Geschichte(n)“, das im Juni im Bergverlag Rother erscheint. Ähnlich wie das Sonneck haben viele Berge zwischen Füssen und Rosenheim ihre eigenen Geschichten – von Wilderern und Schmugglern, von Künstlern und Königen, legendären Almen und wagemutigen Kletterern und Erstbegehungen. In 25 Tages- und Zweitagestouren stelle ich diese Berge und ihre Geschichte(n) vor.
Christian Rauch
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