Ein Gastbeitrag von Romy Robst
Winterwandern Harz. Da ist er endlich, dieser erste Schneetag für uns im Harz! Als ich auf den Parkplatz einbiege, sehe ich im Rückspiegel wie mein Wanderhund Lotte auf der Rückbank große Augen bekommt. Noch viel mehr als ich liebt sie den Schnee. Ein leises Fiepen verrät ihre Vorfreude – und das bei einem Hund, der mehr als 1500 Kilometer im Jahr wandernd mit mir zurücklegt und den eigentlich nichts mehr aus der Ruhe bringt.
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Voller Vorfreude auf den ersten Schnee
Während ich noch am Kofferraum stehend meine sieben Sachen zusammenpacke, spielt die 12-jährige Dame Brumkreisel im Schnee – auf einem kleinen Schneehügel der aufgeschoben zwischen den anderen Autos liegt. So sieht Vorfreude aus. Das Wetter ist trüb, aber es ist trocken und am Startpunkt Braunlage auf etwa 600 Metern liegt schon Schnee. Alles besser, als einen weiteren Tag am Schreibtisch oder auf dem Sofa zu hocken. Kalt ist es nicht und ich ziehe mich nur so dick an, dass ich gerade eben nicht friere. Denn zunächst wollen einige Höhenmeter aufgestiegen werden und dabei wird mir ganz sicher warm.
Meine Wanderung wird mich auf den höchsten Berg Niedersachsens führen, dem 971 Meter hohen Wurmberg. Wenn ich recht überlege, mache ich diese Winterwanderung im Harz seit drei Jahren jedes Jahr, meist ganz am Anfang der Saison, wenn der Skibetrieb am Wurmberg noch ruht aber der erste Schnee schon gefallen ist. Dann gibt es im Harz neben dem höchsten Berg Niedersachsens nur noch den höchsten Berg Sachsen-Anhalts, den bekannteren Brocken, der schon ins winterliche Kleid gehüllt ist. Der wäre auch eine gute Idee gewesen, aber diese Winterwanderung zum Wurmberg ist etwas ruhiger.
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Auf dem Harzer Grenzweg zum höchsten Berg Niedersachsens
Nachdem ich meine Sachen, inklusive eines kleinen Po-Rutschers zum Rodeln, zusammengekramt habe, machen wir uns auf den Weg durch den winterlichen Wald. Der Nebel hängt tief in den Bäumen, mein Atem zaubert kleine Wölkchen in die Luft und die breiten Waldwege laufen sich hervorragend. Mein Wanderhund Lotte hat ihrem ganz eigenen Stil beim Winterwandern: 20 Meter trabt sie freudig vorweg, bis sie sich in den Schnee stürzt und sich weiß paniert. Wenn ich auf ihrer Höhe angekommen bin, springt sie auf, schüttelt sich und galoppiert mit wehenden Hundeschlappohren davon und fällt schließlich wieder in den Trab, der den Anfang des sich immer wiederholenden Prozedere markiert. Ein Schauspiel, das mir jedes Mal aufs Neue ein breites Lächeln in mein von der Kälte gerötetes Gesicht zaubert.
Recht schnell erreichen wir den Harzer Grenzweg, der nach dem flachen Vorgeplänkel im Wald den steilen Aufstieg markiert. Für mich als gebürtige Sachsen-Anhaltinerin mit Wahlheimat Niedersachsen ist das jedes Mal ein bewegender Moment. Hier, wo bis 1989 die innerdeutsche Grenze entlanglief, gehe ich heute ganz selbstverständlich wandern. Unter der weichen Schneedecke befindet sich ein im Sommer unangenehm zu laufender Panzerweg aus diesen Zeiten. Und etwas später, kurz bevor ich den Gipfel des Wurmbergs erreiche, werde ich wie jedes Mal erstaunt sein, wie nah diese beiden Harz-Berge Brocken und Wurmberg nebeneinanderstehen. Gefühlt nur einen Katzensprung.
Der Brocken war in DDR-Zeiten ab 1961 für die Bevölkerung unerreichbar und wurde stattdessen für Spionagezwecke seitens der Staatsicherheit der DDR und UDSSR genutzt. Der Wurmberg hingegen lieferte einen positiven Beitrag für die ostdeutsche Bevölkerung: Auf seinem Gipfel befand sich ein Sender, der Braunlage mit Nachrichten versorgen sollte, der aber unbeabsichtigter Weise auch große Teile der DDR das Westfernsehen ermöglichte.
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Natur, Aussicht und die Belohnung für’s Losgehen
Freilich, heute an diesem trüben Wintertag merke ich von diesen geschichtlichen Hintergründen nichts. Im Gegenteil. Nach einer Weile stetem, schnaufendem Aufsteigen in dieser stillen Winterwelt erspähen wir in der frischen Schneedecke eine Wolfsfährte. Ich ganz konventionell mit den Augen, mein Wanderhund Lotte hingegen mit der Nase. Die Spur wird für einen Kilometer ein treuer Begleiter sein, auch wenn sie hin und wieder im Wald verschwindet und später zurück auf den bequemen Wanderweg führt.
Als wir schließlich den Blick von den gleichmäßigen Pfotenabdrücken lösen, stelle ich plötzlich fest, dass sich das Wetter ändert. Uns trennen lediglich hundert Höhenmeter vom Gipfel des Wurmbergs. Blaue Wolkenlöcher durchbrechen den weißen Himmel und die Luftfeuchtigkeit sinkt. Sollte ich wirklich das Glück haben, heute eine Inversionswetterlage im Harz erwischt zu haben? Wanderschuhe und Pfoten steigern die Frequenz, denn irgendwie habe ich immer die Befürchtung, dass ich beim Wandern die besonderen Momente verpassen könnte. Das ist natürlich Quatsch, sagt der Kopf. Aber meine Beine werden in diesem Moment vom Bauch gesteuert. Ich will auf den Gipfel, jetzt gleich.
Es dauert nur noch wenige Meter und ich durchbreche tatsächlich die Wolken. Schon Reinhard Mey wusste, dass über den Wolken die Freiheit wohl grenzenlos ist. Und genau dieses Gefühl stellt sich schlagartig ein. Wir wechseln in ein normales Tempo, ich lächele zufrieden vor mich hin und sage mehr als einmal „Boah, ist das schön hier!“ Oben angekommen scheint mir die Sonne ins Gesicht, der Himmel über mir trägt ein winterliches Blau. Braunlage, wo ich gestartet bin, ist eingehüllt in dicke Wolken. Ein dichtes Nebelmeer überzieht den ganzen Harz – nur die Bergkappen von Brocken und Wurmberg ragen darüber hinaus. Es ist so wunderschön, dass mir die Worte fehlen.
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Von alternativen Abstiegen im Winter
Doch – und das ist die unangenehme Seite des Winterwanderns – nach einer halben Stunde muss ich den Rückweg antreten. Mit wird nämlich so langsam fröstelig. Aber dank der einfachen Wanderwege um den Wurmberg wird mir mit einem flotten Abstiegstempo schnell wieder warm. Wir haben das Glück, noch einige Zeit über den Wolken zu wandern und die winterliche Idylle im Sonnenschein zu genießen.
Am Rodelhaus laufen wir gefühlt direkt auf Augenhöhe mit dem Nebelmeer, trinken uns bei der Einkehr mit einem Glühwein etwas Mut an und legen schließlich den weiteren Abstieg unkonventionell mit dem Po-Rutscher zurück. Nichts Geringeres als eine der längsten Rodelbahnen im Harz beginnt hier. Die eineinhalb Kilometer bis zum Parkplatz sind dann auch entsprechend mit einer lauten Geräuschkulisse untermalt: Ich rase – fröhliche Jauchzer von mir gebend – die Rodelpiste hinab, während mein Wanderhund Lotte neben mir – empört bellend – galoppiert. Nach nur wenigen Minuten ist der Spaß auch leider schon vorbei. Diesen perfekten Wintertag im Harz werden wir sicher lange in Erinnerung behalten.
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Unterwegs auf zwei Beinen und auf vier Pfoten
Romy Robst ist Bloggerin, Redakteurin und Wanderbuchautorin ist jedes Jahr mehr als 1500 Kilometer zu Fuß unterwegs – in den Alpen, in Deutschland und in ihrem Hausgebirge, dem Harz. Stets an ihrer Seite ist Wanderhündin Lotte, was sie mit konkreten Tipps für Hundebesitzer auch in ihre Wanderführer aufnimmt.
Wer mehr Tipps zu Winterwanderungen im Harz sucht, wird auf ihrem Blog www.etappen-wandern.de fündig!
Die schönsten Winterwanderungen stellt Romy in ihrem druckfrischen Rother Tourenführer »Winterwandern Harz« vor.
Hier haben wir für Euch die detaillierte Routenbeschreibung (mit Klick ins Bild) auf den Wurmberg parat:
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