Wie entsteht ein Wanderführer?
Dieser Frage gehen wir mit Autor Sepp Brandl auf den Grund. Und landen damit unverhofft bei den Themen, die das ganze menschliche Leben umkreisen
Sein Gesicht ist gezeichnet von Linien, wie die, die den Weg eines Wanderers abbilden. Seine Augen funkeln, offen und blau, wie der Himmel hinter den Bergspitzen. Im November 2019 feierte Sepp Brandl seinen 83. Geburtstag. Am Aschermittwoch des letzten Jahres verzeichnete er seine 5000ste Tour. Im Rother Bergverlag hat der Autor bereits 16 Wander- und Skitourenführer veröffentlicht. Sein Spezialgebiet? Chiemgau, Dachstein-Region und das Kaisergebirge. Heute begleiten wir den Waldkraiburger auf dem Weg zur Schnappenkirche in den Chiemgauer Alpen. Trittfest bei jedem Schritt steigt er auf 1.113 Meter hinauf.
Auf drei Säulen steht Sepp Brandls Leben, drei Stationen, die jeden Weg eines Wanderers säumen: Das Tal, der Fuß des Berges steht für Familie und Heimat. Dann der Wald und das Gebirge: Die Natur in all ihrer Kraft. Und am Ende der Gipfel: Grenzen und Grenzenlosigkeit des menschlichen Seins, „die Frage nach dem Letzten“ und dem Glauben, die Sepp Brandl hier immer bewegt.
„10 Jahre musst du gehen, dann kannst du einen Wanderführer schreiben“, davon ist Sepp Brandl überzeugt. Für ihn begann diese berufliche „Abseits“- Route erst am 21. September 1969, als er mit 33 seine erste Tour ging. Das Schreiben von Wanderführern war für Brandl ein Leben lang mehr Zubrot als Hauptberuf, mehr Leidenschaft als lebensnotwendig. Begleitete er als Schulleiter wochentags Kinder und Jugendliche in einem sonderpädagogischen Förderzentrum, zog es den Bayer am Wochenende und in den Ferien in die Berge. Mit im Wanderrucksack hat er immer fünf Dinge: Diktiergerät, Uhr, Kompass, Höhenmesser und Kamera. „Wenn du schließlich eine Region wie deine eigene Westentasche kennst, kannst du eine Liste an abwechslungsreichen Touren für dieses Gebiet erstellen.“ Pro Führer sollten das ca. 50 bis 60 sein. Und so geht Sepp Brandl vor: „Jede einzelne Tour gehst du Schritt für Schritt ab. Auf deinem Weg misst du die Höhenmeter, sprichst deine Wegbeschreibung notizartig auf das Diktiergerät, machst Fotos von wichtigen Stationen bzw. Routenpunkten und notierst die Gehzeit.“
Wanderführer über Generationen hinweg
Seit einigen Jahren machen sich Vater und Sohn gemeinsam auf den Weg, um die schönsten Touren in Wanderführern des Rother Bergverlags zusammenzutragen. Gemeinsam lernen sie viel voneinander: Marc von seinem Vater über die naturnahe Arbeit als Autor von Wanderführern. Sepp von seinem Sohn über neue Möglichkeiten und Techniken beim Erfassen von Daten. Das gemeinsame Projekt betrachten sie als inniges Vater- Sohn-Erlebnis. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Zuhause angekommen werden die gesammelten Daten verschriftlicht und diktierte Notizen in eine runde Textform gebracht. Dabei gehe es schlichtweg darum, eine Route nachvollziehbar zu beschreiben und den Wanderer sicher rauf und wieder runter zu bringen, so Brandl. Ist das erledigt, ist die Arbeit für den Autor zum größten Teil getan. Er schickt die kompletten Unterlagen an den Verlag. Die Lektoren dort überprüfen und bearbeiten das Manuskript und werden sich in dieser Zeit immer wieder mit dem Autor besprechen und bei offenen Fragen nachhaken. Schließlich müssen auch noch die Karten und Höhenprofile überprüft und die Bildunterschriften verfasst werden. Nach einem letzten Korrekturlauf geht das Buch in die Druckerei und ein halbes Jahr nach Manuskriptabgabe hält der Autor schließlich sein neues Werk in den Händen.
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